Es gibt Biere, die überraschen. Und es gibt Biere, die in einem Moment alles umwerfen, was man über alkoholfreies Craft Beer abgespeichert hat. Das IPA Liberis 2+3 von der Riegele BierManufaktur gehört eindeutig zur zweiten Kategorie.
Schon bevor wir den ersten Schluck genommen haben, war klar: Dieses Bier wird nicht die typische alkoholfreie Randnotiz sein. Eine Brauerei, die seit 1386 existiert, liefert ein IPA, das komplett gegen die intuitive Erwartung läuft – und zugleich zeigt, wie lebendig Brautradition sein kann.
Augsburg, 1386, und ein IPA ohne Alkohol
Biere aus Traditionsbrauereien tragen eine gewisse Gravitation in sich. Manche bleiben in ihrer Comfort Zone, andere brechen bewusst alte Muster auf. Riegele gehört zu der zweiten Sorte. Über 600 Jahre Braugeschichte – und dann ein alkoholfreies IPA mit drei seltenen Hopfensorten, zwei Malzsorten und einem Aroma, das die Kategorie neu kalibriert. Es ist nicht nur historisch interessant, sondern es schafft ein Gefühl von Erwartung. Wenn so viel Geschichte auf Moderne trifft, will man wissen, ob das Ergebnis trägt.
Geruch, Farbe und der Punkt, an dem wir kurz schweigen
Was direkt auffällt: Die Farbe geht in ein helles Bernstein. Kein Versuch, übermäßig trüb oder künstlich hazy zu wirken. Klar, sauber, stimmig. Der Geruch: tropisch, fruchtig, aber ohne klebrige Süße. Mango. Mandarine. Ein Hauch Simcoe-Bitterkeit im Hintergrund. Das Gehirn reagiert zuerst emotional, dann sprachlich. Und dieses Bier löst an der Nase genau diese Reaktion aus.
Blindtest? Hätten wir verloren. Alle.
Es gibt alkoholfreie Biere, die wollen mit Gewalt beweisen, wie nah sie am Vollbier sind. Das Liberis 2+3 wirkt nicht so, als würde es sich anstrengen. Es ist einfach komplett.
"Keiner unserer Bekannten würde erkennen, dass das ein alkoholfreies ist."
Das ist kein Kompliment. Das ist eine Feststellung. Das Bier hat Struktur, Länge, Aromatik – Dinge, die alkoholfreie Biere oft verlieren, weil der Gärprozess anders gesteuert wird. Riegele löst das Problem über eine Kombination aus Spezialhefen, schonender Entalkoholisierung und einer Hopfenkomposition, die aromatisch trägt. Und es zeigt, warum es Sinn ergibt, Tradition nicht als Bremse zu verstehen.
Preis, Wert und die Frage: Wofür trinkt man dieses Bier eigentlich?
3,20 € pro Flasche sind kein Nebenbei-Preis. Das ist bewusster Genuss. Keine Kiste für den Keller. Kein Feierabendbier zum Wegtrinken.
"Man muss weg vom Konsumbier und sagen: Das ist was zum Genießen."
Die Wahrheit ist ungemütlich: Gute Produkte kosten. Aber genau das ist die Realität der Craft-Bierszene – und erst recht der alkoholfreien Craft-Szene. Ein alkoholfreier Cocktail kostet 6–8 €. Niemand wundert sich. Ein Bier für 3,20 € lässt manche schlucken. Warum? Weil Bier jahrelang kulturell auf „billig“ sozialisiert wurde. Hier entsteht ein Spannungsfeld – und genau das macht dieses Bier interessant.
Das Urteil – und warum wir es später erneut testen müssen
Wir haben viele alkoholfreie Biere getestet. Einige davon waren hervorragend. Aber das Liberis 2+3 spielt in einer anderen Liga. Wir geben am Ende eine 9 von 10 – nicht, weil etwas fehlt, sondern weil der Kontext nicht ideal war. "Wenn ich am Strand sitzen würde, würde ich wahrscheinlich noch höher gehen."
Das ist kein atmosphärisches Gerede. Umgebung beeinflusst Wahrnehmung. Wärme, Sonne, Wind, Wasser, Licht – all das moduliert Geschmack. Deshalb steht fest: Wir testen dieses Bier erneut. An einem Ort, der zum Bier passt.
Fazit
Das IPA Liberis 2+3 zeigt, was passiert, wenn Handwerk, Tradition und moderne Aromakultur sich nicht ausschließen, sondern gegenseitig verstärken. Ein alkoholfreies IPA, das nichts beweisen muss, weil es schlicht liefert. Ein Bier, das den Begriff „alkoholfrei“ entgiftet. Ein Produkt, das zeigt, dass alte Brauereien oft mutiger sind als viele junge.
Es gehört zu den besten alkoholfreien IPAs, die wir bisher im Glas hatten. Und es ist eines der wenigen, die uns tatsächlich sprachlos gemacht haben – und genau deshalb viel zu sagen hatten.
Bewertung: 9/10.
Herkunft: Riegele Braumanufaktur
Anlass: bewusster Biergenuß
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